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Verankerung des Laizismus als Politikziel


Nach unserem Verständnis soll ein Parteiprogramm Rahmen und Richtung der Partei DIE LINKE vorgeben. Insofern erfüllt der 1. Entwurf für ein Programm der Partei DIE LINKE Abschnitt IV., Punkt „Kirchen und Religionsgemeinschaften“, diese Anforderungen nicht. Die vorgeschlagenen Formulierungen sind insgesamt diffus, unterwürfig, redundant und ohne eigenständige, erkennbare Richtung. Vor dem Hintergrund der nachfolgenden Analyse schlagen wir folgende Formulierung vor:

„DIE LINKE bekennt sich zur Religionsfreiheit ebenso wie zur strikten Neutralität gegenüber allen Religionsgemeinschaften. Sie betrachtet das religiöse Bekenntnis und dessen Ausübung als individuelles Freiheitsrecht in der Verantwortung des Individuums (Person oder Institution). Sie ist gegen jede Privilegierung und Diskriminierung von Religionsgemeinschaften und fordert von diesen die Achtung und Befolgung aller im Grundgesetz und anderen Rechtsvorschriften vorgegebenen Regelungen. DIE LINKE ist für eine klare Trennung von Staat und Religion im Sinne eines konsequenten Laizismus“.

Diese Formulierung bekundet zunächst die Offenheit der Partei zur Religionsfreiheit, betrachtet dann das Religionsbekenntnis als individuelles Freiheitsrecht, nimmt ferner die Religionsgemeinschaften in die Pflicht und definiert schliesslich das Verständnis der Partei für eine klare Trennung von Staat und Kirche. Die Formulierung hat den Vorteil, richtungweisend zu sein, ohne zukünftige Entwicklungen durch zeitgeistige und im Tagesgeschäft verhafteten Details zu beschweren oder gar zu verstellen. Der Laizismus ist eine in vielen Staaten bereits erfolgreich praktizierte Regel für die Beziehungen zwischen Staat und Religion und basiert auf den Ideen (1871) des Friedensnobelpreisträgers (1927) Fernand Buisson zur klaren Trennung von Staat und Religion mit der Qualifizierung von Religion als reiner Privatangelegenheit. DIE LINKE könnte keinen besseren Protagonisten in dieser Angelegenheit finden. Im Laizismus gibt es keinen Staat als Steuerbüttel einer Religionsgemeinschaft, kein Unter- richtsfach Religion an öffentlichen Schulen (entgegen GG Art.7), keine Frage nach dem Bekenntnis im öffentlichen Bereich, keine Soutane, Nonnenhaube, Turban oder Kopftuch in öffentlichen Schulen und auch keine Zurschaustellung religiöser Symbole in öffentlichen Räumen. Laizismus schliesst nicht aus, dass es fallweise und wenn angebracht Regelungen zwischen Staat und Religion gibt, die aber dann für alle gelten. Laizismus scheint eine bewährte Regelung zu sein (siehe Frankreich), die einen Umgang auf Augenhöhe zwischen Statt und Religion überhaupt erst ermöglicht. Seit Konstantin bis zur französischen Aufklärung bestimmten christliche Vorstellungen übermächtig die Europäische Kultur. Insofern ist die christliche Religion sicher Teil unseres Kulturerbes, aber eben nur ein Teil und nicht pars pro toto. Für DIE LINKE gilt mehr denn je demokratischer Sozialismus und eben Laizismus, um den Prozess der demokratischen Gesellschaftsbildung zu fördern.


Diskussionen

  • aeq ist dafür
    +2

    Wir dürfen auch nicht vergessen, um was für Summen es hier eigentlich geht, die andernorts deutlich besser angelegt wären: Mit 19,8 Milliarden Euro subventionieren wir die beiden Großkirchen!

  • nievergessen ist dagegen
    +2

    Eine ganz wichtige Entscheidung die nur unterstützt werden kann.

  • Das bedeutete eine Verfassungsänderung für einige Länder. Ich halte diesen Punkt zwar für anstrebbar aber unnotwenig. Was die Nichtunterstützung angeht könnte dies auch ohne erklärten Laizismus erreicht werden. Die Ausgrenzung religiöser Institutionen zB Beratungstellen ist mit der Religionsfreiheit nicht vereinbar, wohl aber können laizistische Pendants geschaffen werden. Wobei bestimmte Stellen möglicherweise auch überflüssig gemacht werden könnten, zB. Schwangeschaftsabruchberatung. Wir müssen nicht über das Ziel eine soziale und demokratische Gesellschaft zu schaffen, hinausschießen.

  • Mark Seibert ist dafür
    +1

    Ich habe jetzt mal eine Umsetzung zugefügt (entsprechend der Formulierung aus dem Vorschlag). An der könnt ihr noch Änderungen vornehmen, wenn ihr wollt.

  • hallenser87 ist dafür
    +1

    So stelle ich mir eine sozialistische Partei vor: klare Trennung von Staat und Kirchen, klares Bekenntnis zur Religionsfreiheit, Religion als Privatangelegenheit, Gleichbehandlung aller Kirchen, Abschaffung des Zwangs zum Religionsunterricht.

    Kann diesem Vorschlag nur unterstützen!

  • gollum ist dafür
    +1

    Religionsfreiheit in staatlichem Sinne bedeutet doch wohl frei von Einflüssen theoligischer Organinsationen, die den Staat als solchen doch nur zur Durchsetzung eigener Ziele mißbrauchen. Guter Beitrag, deshalb Zustimmung !

  • georgkorf ist dafür
    +1

    Laizismus ist eine Staatsraison ebenso wie die Gewaltenteilung. Beide haben ihren Ursprung in Frankreich, dem wir in puncto Demokratie viel verdanken.

  • Ich bleibe in diesem Punkt neutral, denn mir gefällt die Formulierung des Ausschlusses des Religionsunterrichts nicht; zumindest von meinen ehemaligen Schulen weiß ich, dass diese Unterrichtsangebote in jedem Fall freiwillig waren und sind und sich somit niemand "gefährdet" sehen sollte (um das einmal überspitzt zu formulieren). In dieser Hinsicht stimme ich iam_eb zu, halte es aber auch für bedenklich, dass vorzugsweise katholischer (meines Wissens vor allem in Bayern vorherrschend) oder evangelisch- protestantischer Unterricht (hier bei mir in Sachsen) angeboten wird. Wenn wir also religiösen Unterricht erlauben, müssten, sofern Bedarf besteht, auch andere Reliogionen zugelassen werden, was wiederum natürlich erhebliche Kosten verursacht, die in diesem Fall die Bildungsministerien der Bundesländer zu tragen hätten (Bildung ist ja leider immer noch Ländersache...). Ich denke, ihr seht das Paradoxon, dass ich persönlich mit diesem Thema habe; vor allem dann, wenn ich selbst in der evangelischen Kirche angemeldet bin, mich aber eher als Agnostiker sehe. HansjoergGrafens Forderung kann ich nur in dem Punkt unterstützen, als dass Atheismus als "Nicht- Religion" von den übrigen anerkannt und respektiert wird; "Ethik" als Unterrichtsfach stellt in diesem Sinne quasi das Angebot für Atheisten dar (oder für solche, die nicht mit den vorhandenen Angeboten konform gehen > siehe: bereits genannte Punkte weiter oben in meinem Text), andererseits wiederum wichtig für eine gute Allgemeinbildung ist. Eventuell gehe ich dann mit dem Laizismus im Bereich des Schulwesens konform, wenn dieser (Nicht-)Religionsunterricht außerhalb der Schulen angeboten wird, aber wer trägt dann dafür Verantwortung? Ein sehr schwieriges Thema. Dass die LINKE die allgemeine Religionsfreiheit und -ausübung aber unterstützt (wie sie im GG steht) empfinde ich ebenso als gut, logisch und erfreulich.

  • Friek ist dafür
    0

    Die Trennung von Staat und Kirchen sollte eigentlich selbstverständlich sein.

  • grundi9 ist dafür
    0

    Eine moderne LINKE sollte areligiös, nicht antireligiös sein. Eine Subventionierung der religiösen Organisationen ist abzulehnen, ebenso die Abschiebung existenzieller gesellschaftlicher Themen an Religionsgemeinschaften oder deren Suborganisationen (z.B.: Beratungsstellen sind keine religiöse Sache). Inwiefern die Gesellschaft religiöse Präsenz in Form von Kultgegenständen oder Kleidung duldet, sollte demokratisch entschieden werden.

  • Eckernfoerder ist dafür
    0

    Diesen Vorschlag unterstütze ich gern. Leider gibt es hierzulande noch keine wirkliche Trennung zwischen Staat und Kirche(n). Kirchlich beeinflußter Religionsunterricht z.B. hat in den Schulen nichts verloren! Im Grunde skandalös ist das immer noch geltende "Staatskirchenrecht", nach dem jeder nichtgläubige Steuerzahler etwa für die Gehälter von Priestern und Pastoren aufzukommen hat. Damit muß endlich Schluß sein! Religion und "Glaube" sind Privatsache - als Atheist bin ich gern zum Dialog mit religiösen Menschen bereit, aber bitte von gleich zu gleich.

  • iam_eb ist dafür
    0

    Klare Sache, leider viel zu wenig diskutiert. Gerade daher sollte es unbedingt ins Parteiprogramm. Religion ist Privatsache. Ich halte allerdings wenig davon das tragen von religiösen Gegenständen in Schulen, und so weiter zu verbieten, da dies meiner Meinung nach eine persönliche Entscheidung ist und nichts mit Laizismus zu tun hat.

  • Sandro89 ist dafür
    0

    Staatliche Neutralität als wichtiges Mittel zur Wahrung der Religionsfreiheit scheint mir auch zeitgemäßer zu sein, da wir uns immer weiter in eine atheistische und multireligiöse Gesellschaft verwandeln.

  • iTim ist dafür
    0

    Dafür

    Man muss sich schon fragen, warum jemand dagegen sein sollte....

  • DieterStolpe ist dafür
    0

    Liebe Genossinnen und Genossen,

    der vorliegende Prograsmmentwurf fordert ganz klar eine Systemalternative. Das ist ein hoher Anspruch. Damit sich in unserer Gesellschaft überhaupt etwas in diese Richtung entwickeln kann, müssen wir diese Debatte möglichst breit aufgestellt in der Öffentlichkeit führen. 1.Das geht nur im Geiste von insgesamt mehr direkter Demokratie, wie es der Entwurf völlig zu Recht bis hin zum Bürgerhaushalt fordert (sehr gut!!!) 2.Das wird unserer Partei natürlich erhebliche Widerstände einbringen, bersonders von reaktionären Strukturen, wie Arbeitgeberverbände und Kirchen - die schlafen nicht! 3Deshalb werden wir konsequenterweise nicht umhin kommen, ganz klar für den Laizismus einzutreten. Laizismus ist keine Bilderstürmerei; religiöse Menschen sollen tun was sie wollen, aber den Kirchen muss dringend das Handwerk gelegt werden, wenn sie Kindergärten und Pflegeeinrichtungen mit ihrem Gepfäffel (Tendenzschutz) betreiben, und sich das dann von Steuergeldern (nicht von der Kirchensteuer, zahlen also Menschen die aus der Kirche ausgetreten sind ebenfalls mit) bezahlen, aber z.B. nur Menschen ihrer Glaubensrichtung einstellen und sich dann noch erfolgreich auf dem Gebiet gelber Gewerkschaften betätigen.

    Letztenendes muss klar formuliert werden: Demokratie ist eigentich nur unter dem Laizismus möglich, alles andere ist Quark.

  • HansjoergGrafen ist dafür
    0

    Das ist sehr richtig! Alleine schon, dass im Programmentwurf das Wort "Seelsorge" erscheint, ist bereits eine Parteinahme für eine bestimmte Religion.

    Darüberhinaus sollte auch ein Hinweis nicht fehlen, dass der Atheismus als Geisteshaltung den gleichen Respekt und den gleichen Rang genießt, wie irgendeine Religion. Das ist nämlich alles andere als Selbstverständlich.

  • Wolfgang ist dafür
    0

    Vielleicht sollte man noch darauf hinweisen, dass der laizistische Staat die Religionsfreiheit aller ( einschließlich der Freiheit von der Religion) eher garantiert, als ein Staat, der eine privilegierte Partnerschaft zu bestimmten Glaubensgemeinschaften pflegt. In welches Dilemma die BRD kommt, wird bei der "islamischen Unterweisung" in öffentlichen Schulen deutlich. Viele Religionen kennen eben organisierte Glaubensgemeinschaften (Kirchen) nicht. Sie können daher nur privatrechtlich mit dem Staat verhandeln, sie sind keine Körperschaften des öffentlichen Rechts und wollen auch aus religiöser Überzeugung keine werden.

  • UliSedlaczek ist dafür
    -1

    Laizismus oder Religionskriege. Ich bin für Laizismus

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